Beise / Schäfer: Deutschland digital
Untertitel: Unsere Antwort auf Silicon Valley
Das Buch ist von zwei Journalisten und Wirtschaftsexperten geschrieben, Wirtschaftsredakteure der Süddeutschen. Das ist ein wirklich eine Stärke, da sie den nötigen Abstand für eine globale Einschätzung haben. Herausgekommen ist ein Buch, das kein Fachwissen voraus setzt, sondern im Grunde die ganze Bevölkerung aufrütteln kann. Es setzt am gesunden Menschenverstand an, um den notwendigen „change auf mind“, den Bewusstseinswandel für das neue digitale Zeitalter durchführen zu können. Okay: Unser Wortschatz wird mit dem Buch auch „upgedatet“: Es gibt Begriffe, die wir für das neue Denken auch neu lernen müssen.
Überrascht hat mich im Buch auch, welch positive Rolle führende deutsche Politiker wie Angela Merkel oder Günter Oettinger und deutsche „Wirtschaftskapitäne“ bei dieser digitalen Veränderungen unseres Lebens schon spielen. Und: Wie viele junge Deutsche bei der ursprünglichen digitalen Revolution aus dem „Silicon Valley“ (südlich von San Francisco / Kalifornien, der Heimat der „Blumenkinder“) mitgemischt haben. Ist es ein Zufall, dass die „Digitale Revolution“ in einem der Zentren der „68er-Revolution“ in ihrer Hippie-Variante gestartet ist?
Das Buch liest sich spannend, große Macher sind interviewt, von denen der Leser über das Buch vielleicht das erste Mal überhaupt etwas hört. Das ist ja die Kunst von Journalisten, persönliche Bezüge durch „Storytelling“ herstellen zu können. Mir ist die Welt durch das Lesen des Buches irgendwie vertrauter und menschlicher geworden.
Ein neues deutsches Wirtschaftswunder?
Ist an dem deutschen Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg (Ludwig Erhard) wieder anzuknüpfen? Oder hat Deutschland (und Europa) den Zug ins digitale Zeitalter schon verpasst? Die Meinung der Autoren: Der Zug des privaten Internets ist bereits abgefahren. Google, Apple, HP, Facebook, Microsoft, Amazon, Uber, Airbnb und wie sie alle heißen, sind da nicht mehr einzuholen. Die erste Etappe hat Silicon Valley gewonnen. Doch was ist wahrscheinlicher? Dass Google das digitale Auto erschafft oder das die deutschen Autobauer ihr Produkt und Produktion digital neu erfinden? Die Frage ist schon die Antwort. Die Autoren sehen klar die Stärken der deutschen Wirtschaft und des Mittelstandes. Und wenn hier die Digitalisierung als neue Herausforderung verstanden ist, dann kann Deutschland (und Europa) in der zweiten Runde wieder ganz vorne mitspielen: bei der digitalen Fabrik, dem „Internet der Dinge“, dem „Internet of Everything“.
Die Autoren zitieren den Siemens-Chef Joe Kaeser (S. 34)
„Man muss das Silicon Valley nicht kopieren, aber man muss es kapieren.“
Das Buch will einen Beitrag dazu leisten.
„Disruption“ – Zusammenbruch und Neu-Aufbau
Weltmarktführer brechen zusammen, weil sie den Wandel verschlafen. Was ist aus IBM geworden? Eine kleine „Garagenfirma“ (der Mythos) hat als David (Microsoft) den Riesen Goliath (IBM) geschlagen, eine Mythos, dem wir in der heutigen Zeit heute immer wieder begegnen können: Entweder du erfindest dich für das digitale Zeitalter neu, oder du bist „weg vom Fenster“.
„Wer sich nicht verändert, der wird verändert.“ Und das bedeutet, sich ständig neu zu erfinden.
Alle fünf Jahre, sagt er (John Chambers von Cisco, JS), habe er seine Firma neu erfunden, aber das reiche nicht mehr, jetzt müsse das alle drei Jahre sein, so schnell ticke das Silicon Valley. (S. 83)
Erfolgsfaktoren dieser neuen Zeit sind (S. 48):
- Kreativität
- Innovation
- Durchsetzungskraft
- (Förder-) Geld
Drei Wesensmerkmale dieser digitalen Revolution. Sie ist:
- expotenziell (nicht mehr linear)
- digital
- vernetzt
Die große Frage ist: Werden wir es schaffen, uns digital neu zu erfinden?
Die Frage geht nicht nur an „Deutschland“, sondern jeden einzelnen.
Chance oder Fluch?
Die Autoren diskutieren das Thema durchaus ernsthaft. Wird die Maschine einst den Menschen beherrschen? Werden Maschinen die besseren Menschen sein? (S. 210) Es war einst eine kommunistische Vision, dass Maschinen den Menschen die Arbeit abnehmen. Die Digitaliserung macht es möglich!
Die Autoren sind keine bornierten Mahner, sondern halten die digitale Revolution „für etwas Gutes“. Die Autoren diskutieren sogar die alte Frage von Norbert Wiener(1948), was gefährlicher sei, der Computer oder die Atombombe. Nebenbei gemerkt: Kein Mensch der Welt wird diese Revolution aufhalten können. Es ist kein „Teufelszeug“, sondern ein Werkzeug, das so oder so genutzt werden kann. Am besten ist natürlich: Immer mehr Menschen nutzen es in dem Sinne, dass es die Demokratisierung fördert, den flexiblen Umgang mit Arbeit und Arbeitszeit, den wachsenden Wohlstand für alle.
Die digitale Revolution wird wohl mehr „Jobs“ vernichten als neue Jobs schaffen. Es wird „Verlierer“ geben. Es kommt für jeden einzelnen darauf an, sich vorzubereiten, sich ganz persönlich neu zu erfinden.
Das Buch ist für mich grundlegende Aufklärung, und ich denke, dass es nicht schwer ist, für sich selbst die Frage zu stellen: „Was bedeutet das für mich?“ Was verändere ich, um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein.
Eines meiner spirituellen Lieblingsbücher von Neal D. Walsch („Gespräche mit Gott“) heißt: „Wenn alles sich verändert, verändere alles!“ Das gilt nicht nur für die „Nerds“ und „Disrupter“ der digitalen Revolution, sondern auch für die „Spirituellen“. Es war ja schon immer das Problem, dass „die Bösen“ die Oberhand hatten, weil „die Guten“ sich im „Nichts-Tun“ übten (…). Ich finde, es ist eine großartige Zeit, dass „die Guten“ die Chancen der digitalen Revolution verstehen und ihren Beitrag für ihre segensreiche Nutzung leisten.
Ich bin zwar weit über die reine Besprechung des Buches hinaus gegangen, doch es hat mich sehr ernsthaft angeregt, mich auch als „Spiritueller“ neu zu erfinden. DANKE den Autoren dafür.