Deepak Chopra: Der Dritte Jesus
Untertitel: Auf der Suche nach dem kosmischen Christus
Deepak Chopra schreibt dieses Buch bewusst zu einer tiefen, aktuellen Krise des Christentums. Diese Krise ist weitergehend als die Spaltung des Christentums in Orthodoxe, Römisch-Katholische, Evangelische und unzählige Sekten, die sich auf Jesus berufen. Die Krise ist eine moralische Vertrauenskrise, die ideologische Verschärfung der christlichen Rechten im „heiligen Krieg“ gegen die islamischen Fundamentalisten. Der politische Missbrauch der Lehre Jesu in der Frage Abtreibung, Homosexualität, Frauenrechte, Krieg und Frieden ist gerade im Westen eklatant. Schon ist wieder vom „Krieg der Kulturen“ die Rede. Gott bewahre uns vor neuen Kreuzzügen.
Doch da ist noch etwas ganz anderes: Wir erleben eine spirituelle Renaissance, Menschen erwachen, suchen den Weg der Erleuchtung. Buddha gewinnt auch im Westen an Attraktivität. Chopra weist darauf hin, dass unser abendländische Kultur auch einen „Buddha“ des Mitgefühls und der Liebe hervorgebracht hat: Jesus. Er ist auch ein „Erwachter“, ein „Erlöser“, ein spiritueller Meister, ein Mystiker, der ins Gottes-Bewusstsein erwacht ist. Chopra geht es darum, die Lehre Jesu als Weg der Erleuchtung für die heutige Zeit und gerade die abendländische Kultur neu zu verstehen. Wer sollte das Christentum zu seinen mystischen Wurzeln zurück führen, wenn nicht der (in der geistigen Welt) „lebendige Jesus“? Seine Lehre IST radikal und mystisch.
Wie kommt ein in der indischen Spiritualität (Hinduismus, Buddhismus) aufgewachsener spiritueller Lehrer dazu, „uns Christen unseren Jesus“ neu zu interpretieren? Ist das nicht anmaßend? Die Antwort ist eigentlich einfach: Es geht gar nicht anders als die Worte Jesu zu INTERPRETIEREN. Jeder weiß, dass es symbolische Gleichnisse sind, die gedeutet werden wollen. Und da ist der mystische Zugang zu Jesus (der „dritte Jesus“ neben dem historischen und theologischen) der Schlüssel. Viele scheinbare Widersprüche in der Lehre Jesu lösen sich auf, wenn sein Weg als Weg der Erleuchtung interpretiert wird. Er ist nicht der „einzige Sohn Gottes“, sondern ein Mensch, der zum Gottes-Bewusstsein erwacht ist, der mystische Weg, den jeder von uns gehen kann. Und dies ist eigentlich auch nur eine „Wiederentdeckung“ einer christlichen Ur-Strömung von Mystikern, die sich Gnostiker nannten, „Wissende“ im Gegensatz zu Gläubigen. Wer erwacht ist, der weiß und braucht nicht mehr zu glauben.
Ester Teil: Der Dritte Jesus
Im ersten Teil geht es Chopra um „die Erlösung des Erlösers“, Erlösung von religiösen Dogmen und Legendenbildungen. Er wurde „Gottes Sohn“, weil er Gottes-Bewusstsein erlangt hatte, wie jeder es erlangen kann. Doch mehr noch: Jesus predigte auch, dass das Reich Gottes wieder auf die Erde kommen werde – wenn wir denn eine erleuchtete Gesellschaft geschaffen haben.
Jesus sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Licht“, was nur ein Mensch im Gottes-Bewusstsein sagen kann. Diesen Weg des Lichtes, der Erleuchtung zeigt Chopra an den neun Wesensmerkmalen des spirituellen Lebens auf:
- Meditation
- Kontemplation
- Offenbarung
- Gebete
- Gnade
- Liebe
- Glaube
- Erlösung
- Einheit
Der Autor bespricht auch die „gnostischen Evangelien“ als „Bereicherung“ der Worte Jesu, nicht aber als als „Alternative“ zu den kanonisierten vier Evangelien. Doch:
Egal welche Version Jesu Sie akzeptieren, immer besteht das Ziel christlichen Lebens darin, das Reich Gottes zu erreichen.
(S. 56)
Dieses Reich ist als Christus-Potenzial in uns, und wir werden es in einem langsamen Prozess auch für die ganze Gesellschaft erreichen.
Zweiter Teil: Das Evangelium der Erleuchtung
Im zweiten Teil interpretiert Chopra die Worte Jesu als „Evangelium der Erleuchtung“. Er unterscheidet 10 Gebiete:
- Liebe und Gnade
- Glaube
- Offenbarung und Erlösung
- Meditation
- Kontemplation
- Gebet
- Karma – Reifen und Säen
- Die Welt als Illusion
- Einssein mit Gott
In zwei Bereichen (Karma und die Welt der Illusion) interpretiert er Worte Jesu aus buddhistischer Sicht. Die Worte Jesu und die Buddhas sind ähnlicher als viele sich bewusst sind. Auch Jesus hat als Mystiker eine „Buddha-Natur“. Und hier spricht Deepak Chopra mahnende Worte an die Christen aus:
Christen wollen das Gefühl haben, dass ihre Religion einzigartig ist, was zweifellos dadurch erreicht wird, dass sie Gottes eingeborenen Sohn für dich reklamieren. Aber gerade dadurch laufen sie auch Gefahr, aus dem großen menschlichen Projekt ausgeschlossen zu bleiben, dass Jahrhunderte vor Christus begann und bis heute fortdauert: Das Projekt besteht darin, die materielle Welt zu transzendieren, um ins Reich der Seele zu gelangen. (S. 76 f.)
Jesus hat dieselbe Erlösung angeboten wie Buddha: das Ende des Leidens und einen Weg zur spirituellen Freiheit, Freude und Nähe zu Gott. In diesem Licht ist der reale Jesus heute genause greifbar wie eh und je, vielleicht sogar noch mehr. (S. 177)
Der Mittelteil, das „Evangelium der Erleuchtung“ ist sicher das Herz des Buches.
Dritter Teil: Jesus zum eigenen Lehrer machen
Der dritte Teil bietet „einen Leitfaden für Suchende“. Dieser Teil ist so gehaltvoll wie der zweite Teil.
Jesus hat einen Weg zur Erleuchtung geöffnet, der auch heute noch gangbar ist. (S. 181)
Chopra weist 15 Schritte zum Gottes-Bewusstsein aus (Lektionen und Übungen) über die Themen
- Das Reich Gottes ist mitten unter euch.
- Seid in der Welt, aber nicht von der Welt.
- Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.
- Bittet, dann wird euch gegeben.
- Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
- Lasst ab und erkennt, dass ich Gott bin.
- Was ihr sät, das werdet ihr ernten.
- Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand.
- Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen.
- Ihr müsst von neuem geboren werden.
- Ihr seid das Licht der Welt.
- Sorgt euch also nicht um morgen.
- Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.
- Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.
- Was nützt es einem Menschen, wenn der die ganze Welkt gewinnt, aber seine Seele einbüßt?
Chopra gibt am Anfang immer eine Bedeutung der Lehre und dann eine Übung, um sie umzusetzen.
Die letzten Seiten des Buches sind sehr hilfreich auf dem Weg. Er gibt eine Landkarte, „wie sich der Weg öffnet“, die drei entscheidenden Phasen „der spirituellen Reise zum Gottes-Bewusstsein: der Anfang, die Konflikte und Krisen „auf halber Strecke“ (auch über „spirituelle Stimmungsschwankungen“) und schließlich das Ziel der Reise „wo die Seele niemals stirbt“.
Das letzte Kapitel „Was würde Jesus tun?“ ist durchaus ein Höhepunkt des Buches. Er ruft angesichts der Krise des Christentums auf, den Mut aufzubringen, nach den Lehren Jesu zu leben und zu handeln:
Sie und ich können das Verhalten der religiösen Rechten nicht ändern, aber die passive Reaktion vieler gemäßigter und liberaler Christen, die nur schweigend leiden oder sich abwenden, ist kontraproduktiv.
Persönliches Wachstum erreicht man, indem man so handelt, wie es der eigenen spirituellen Vision entspricht. Wenn Jesus Ihr Vorbild spiritueller Größe ist, dann handeln Sie nach seinen Grundsätzen. (S. 306)
Das Reich Gottes ist das Reich der Seele
Jesus bezeichnet das Reich der Seele als das Reich Gottes, und es war eindeutig seine Absicht, dieses Reich auf der Erde zu errichten. (S. 11)
Ich nehme bei der Jesus-Besprechung von Deepak Chopra noch einen interessanten Aspekt wahr. Die indische Spiritualität ist in gewissen Sinne sehr extrem, fast wär es mir aus den Fingern in die Tastatur geflutscht, von einer „Zwei-Kasten-Spiritualität“ zu sprechen. Im Hindusimus gibt es ja „noch“ die Vielgötterei. Hier geht es ja „noch“ zu wie im griechisch-römischen Pantheon. Das soll nicht den geringsten abwertenden Ton haben. Unsere astrologischen Planeten himmeln ja auch „noch“ griechisch-römische Götter an (Uranus, Saturn, Jupiter usw.). Andererseits ist der Buddhismus bereits so „hochspirituell“, dass er sogar den EINEN Gott ins nonduale NICHTS („Nirwana“) transzendiert. Der Buddhismus ist eine Religion ganz ohne Gott, reine Mystik. Das meine ich mit „zwei Kasten“, was als Begriff natürlich unangemessen ist, doch vielleicht etwas widerspiegelt.
Wie geht nun ein indischer spiritueller Lehrer, aufgewachsen in diesem Hinduismus-Buddhismus-Zwiespalt mit der Lehre Jesu um? Er „entdeckt Neues“, das ihn auch fasziniert. Und hier erkenne ich bei Deepak Chopra die Wahrnehmung der Seele als fundamentalem Bestandteil der Lehre Jesu. Weder im Hinduismus noch im Buddhismus gibt es etwas der „Seele“ als Weltenseele, kosmischer Seele Vergleichbares. Das hat Chopras Denken (wenn ich es richtig sehe) stark beeinflusst. In seinem nächsten großen Werk „Heilung“ (seine Heimat als aryuvedischer Arzt) ist das „Konzept der Seele“ (Seele ist natürlich mehr als ein „Konzept“) integriert: „Körper und Seele in neuer Ganzheit erfahren“. Er ist dem Ruf Jesu, dem Ruf der Seele gefolgt.
Mein Fazit: Es geht sicher vielen Menschen so wie mir, dass ich schon früh mit der Amtskirche gebrochen habe und – bewusst oder unbewusst – den direkten Weg zu Gott gesucht habe. Auf diesem Weg gab es auch viele esoterische Verwirrungen. Doch Deepak Chopra ist auf diesem Weg mir früh ein Weisheitslehrer gewesen, ein „Leuchtturm der authentischen Spiritualität“. Das Buch hat mir Jesus wieder nahe gebracht ähnlich wie die Bücher von Paul Ferrini. Es ist ein Stück innerer Versöhnung mit meinem kindlichen und jugendlichen Glauben. Es ist für mich eine „Wiederentdeckung“ und Neuverstehen von Worten, die ich schon als Kind gehört habe. Die Worte von Jesus sind meine „spirituelle Muttersprache“. Sie wirklich zu verstehen bedarf eines bestimmten Bewusstseinsstandes auf dem geistigen Weg.
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DANKE lieber Jürgen,
NAMAST´E
….Es ist ein Stück innerer Versöhnung mit meinem kindlichen und jugendlichen Glauben. Es ist für mich eine “Wiederentdeckung” und Neuverstehen von Worten, die ich schon als Kind gehört habe. Die Worte von Jesus sind meine “spirituelle Muttersprache”. Sie wirklich zu verstehen bedarf eines bestimmten Bewusstseinsstandes auf dem geistigen Weg.