R. Moore & D. Gillette: König, Krieger, Magier, Liebhaber

Untertitel: Die Stärken des Mannes

Das Buch ist 1990 in Amerika erstmals erschienen und ein Klassiker der Männer-Literatur. Es ist das erste Buch, dass die Archetypen (nach C.G.Jung) aufnimmt, um die Männerseele genauer zu beschreiben. Seitdem gibt es wohl kaum ein Männer-Buch, das an diesen Grundarchetypen (in vielen Variationen) vorbei kommt: Der König (als reifer Mann), der Krieger, der Magier und der Liebhaber. Doch dieses klassische Original hat eine Tiefe, an die andere Bücher über männliche Archetypen in meinen Augen nicht mehr heran kommen. Die „bipolaren Schattenseiten“ jedes Archetyps, auf die ich hier nicht weiter eingehen kann, sind für mich dabei unübertroffen. Deswegen lohnt sich auch heute noch eine Besprechung.

Teil 1 – Vom Jungen-Bewusstsein zum Mann-Bewusstsein

Irgendwie spüren wir alle, dass die Männer von heute noch irgendwie in der Pubertät stecken geblieben sind, nicht wirklich zum reifen Mann erwachsen werden (wollen / können). Das Buch gibt für mich eine schlüssige Antwort auf dieses merkwürdige Phänomen.

„In der gegenwärtigen Krise der Männlichkeit brauchen wir nicht, wie manche Feministinnen behaupten, weniger maskuline Stärke. Wir brauchen mehr davon. Aber wir brauchen mehr gereifte Männlichkeit. Wir brauchen mehr Mann-Bewusstsein.
… Wir müssen lernen, authentische maskuline Kraft und Potenz zu zelebrieren, nicht nur um unser Wohlergehen als Männer und unserer Beziehung zu anderen willen, sondern weil sich die Krise der gereiften Männlichkeit mit der globalen Überlebenskrise vereint, in der wir als Gattung stecken.“ (S. 15/16)

„Alle unreifen männlichen Energien sind, in der einen und anderen Form, allzusehr mit der Mutter verknüpft, und es mangelt ihnen an der Erfahrung nährender und reifer Männlichkeit.“ (S. 54)

Ein Riesenthema ist der Archetyp des HELDEN, den „viel Desorientierung“ umgibt.
Er ist „tatsächlich der Gipfel der virilen Energien des Jungen, der Archtyp, der das beste in der Adoleszenz-Phase vertritt.“ Hier hängen wir Männer fest. Einerseits sind wir fasziniert vom Helden (davon lebt eine ganze Filmindustrie), andererseits führen wir ein wenig heroisches Leben. Wenn wir überhaupt erwachsen werden wollen, müssen wir durch diese Heldenphase durch, sie überwunden haben. Erst als Helden werden wir zum reifen Mann. Der HELD ist aber nicht das Ziel männlicher Reife, sondern der Beginn.

„Wie die anderen unreifen männlichen Archetypen lässt der Held eine überstarke Mutterbindung erkennen. Doch der Held verspürt den starken Drang, sie zu überwinden. Er ist in einen Kampf auf Leben und Tod mit dem Weiblichen verstrickt, will es besiegen und seine Männlichkeit beweisen.“ (S. 61)

Es ist der Kampf gegen den Drachen (die inneren Dämonen und Monster), die den heldenhaften Mann aus der Muttebildung löst und erst dann REIF für eine Frau macht (das Burgfräulein, die Prinzessin), die kein Mutterersatz mehr ist. Wir Männer sind keine Drachentöter mehr. Wir haben das Mütterliche (auch als Unterbe-wusstsein) in uns nicht besiegt und uns eine REIFE BEZIEHUNG zu einer Frau nicht verdient. Das ist unser Dilemma. Wir wären so gerne Helden, machen uns aber nicht auf unsere Heldenreise in die männliche Seele.

Teil 2 – Die Entschlüsselung der männlichen Psyche – die vier Archetypen gereifter Männlichkeit

Ein ganz besonderer Archetyp der Autoren ist „das Göttliche Kind“, das ich bei anderen Autoren nicht mehr wiedergefunden habe. „An der Spitze der dreieckigen Archetypen-Struktur erfahren wir das Göttliche Kind, das uns erneuert und ‚im Herzen jung‘ hält.“ (S. 40). Auch als reife Männer bleiben wir mit diesem „Göttlichen Kind“ in uns in Verbindung.

Doch der Haupt-Archetyp gereifter Männlichkeit ist der KÖNIG. Während der HELD sich die Prinzessin verdient hat, ist es noch ein weiter Weg der Reifung, dass beide zu KÖNIG und KÖNIGIN werden.

„Der ‚Tod‘ des Helden ist der ‚Tod‘ des Jugendalters, des Jungen-Bewusstseins. Gleichzeitig steht er für die Geburt der Männlichkeit, des Mann-Bewusstseins. Der ‚Tod‘ des Helden im Leben eines Jungen (oder Mannes) bedeutet in Wirklichkeit, dass er schließlich an seine Grenzen gestoßen ist. Er ist dem Feind begegnet, und der Feind ist er selbst. Er ist seiner dunklen Seite begegnet, seiner sehr unheroischen Seite. Er kämpfte mit dem Drachen und verbrannte sich; er focht in der Revolution und trank vom Bodensatz seiner eigenen Unmenschlichkeit. Er hat die Mutter besiegt und dann seine Unfähigkeit eingesehen, die Prinzessin zu lieben. Der ‚Tod‘ des Helden signalisiert die Begegnung  eines Jungen oder Mannes mit wahrer Demut. Es ist das Ende seines heroischen Bewusstseins. (S. 64)

Zu diesem Reifungsprozess des Mannes gehört es, dass er die drei anderen Archetypen, den KRIEGER, den MAGIER und den LIEBHABER in reifer Form in sich entwickelt hat. Erst die seelische INTEGRATION all dieser Archetypen, des „Göttlichen Kindes“, des Kriegers, des Magiers und des Liebhabers macht den Mann in seiner reifen Form zum KÖNIG mit einer KÖNIGIN an seiner Seite.
Diesen Archetypen des König dürfen wir aber nicht in seinem feudalen Sinne verstehen. Auch Jesus wurde als „König“ gesehen, dessen „Königreich“ aber nicht von dieser Welt sei.

Der vollendete Archetyp des Königs besitzt die Eigenschaften der Geordnetheit, des besonnenen und rationalen Gestaltgebens, der Integration und Integrität in der männlichen Psyche. Er glättet chaotische Gefühle, bremst unmäßiges Verhalten. Er bringt Festigkeit, Zentrierung und Gelassenheit. …
Der König sorgt sich um sein ganzes Reich, er ist der oberste Verwalter von Natur und menschlicher Gesellschaft.
Es ist die Energie, manifestiert in alten Mythen, des ‚Hirten seines Volkes‘, des ‚Gärtners‘, des Schutzherrn der Pflanzen und Tiere im Königreich. Es ist die Stimme, die klar, gelassen und mit Autorität, als Fürsprecher der Menschenrechte für alle auftritt. Es ist die Energie, die geringste Strafen und höchstes Lob ausspricht. Es ist die Stimme, die aus unserer Mitte, vom archatischen Berg in jedem Menschen erschallt.“ (S. 91)

Im Vorwort des Buches heißt es: Dieses Buch gäbe der „Männerbewegunbg starke Impulse“, wäre ein „revolutionärer Durchbruch bei der Entschleierung der Tiefen-strukturen des menschlichen Selbst …, des männlichen wie weiblichen“ (S. 7).
Die Zeit hat dieser Einschätzung recht gegeben.

Das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich: König, Krieger, Magier, Liebhaber. Die Stärken des Mannes.

 

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