Tiziana Stupia: Meeting Shiva

Untertitel: Mein Weg von der Liebe ins Erwachen

Oberflächlich gesehen eine kurze, dramatische Liebesgeschichte einer spirituellen Frau (Mitte 30) auf der Suche nach dem „Märchenprinzen“, wie es Millionen gibt. Doch in diesem Buch ist nichts nur oberflächlich zu sehen. Es hat nicht nur Tiefe, sondern spricht auch viele Dimensionen des spirituellen Lebens an. Es ist sehr berührend und reich an Erkenntnissen. Die Autorin, eine Deutsch (Mutter) – Sizilianerin (Vater) ist schon lange auf dem spirituellen Pfad und macht sich dann auf die Reise nach Indien, um ihren „den Mann ihres Lebens“ zu finden und einen Partner für ihre Sehnsucht nach einer tantrischen Lebensweise (wenn nicht in Indien, wo sonst?).

Sie trifft ihn sogar, er ist der Leiter eines Ashrams „irgendwo im Himalaya“, der Syannyasin, ein zölibatär lebender Mönch. „Shivas Lied“, das er täglich zu den Ritualen singt, verzaubert sie. Doch das Drama ist vorprogrammiert und nicht zu vermeiden. Sie weiß es – und kann sich ihrer Zuneigung trotzdem nicht entziehen. Diese Liebe muss gelebt werden, auch wenn sie als Beziehung in der Hölle endet. Anders als die Liebesgeschichte von Elizabeth Gilbert („Eat, Pray, Love“) gibt es hier kein Happy End als Paar, wohl ein Happy End für ihr Erwachen. Und das ist die wichtigsten Botschaft für das Buch: Wenn eine Liebe dich so stark berührt, dass sie dein Herz zerbricht, dann gehe dem Schmerzen nach, bis du erwacht bist.

Es ist eine spirituelle Liebesgeschichte von zwei Menschen, die sehr bewusst sind. Sie leben ein Drama, das stellvertretend viele Dissonanzen spirituellen Lebens zur Sprache bringt. Da ist eine ausgebildete Priesterin im heidnischen Göttinnenkult und ein „heiliger Mann“, dem nichts über die Verehrung seines Gurus geht, dem dieser Ashram dient. Er hat – wie er sagt – noch nie eine Frau berührt, sogar Frauen gehasst. Und jetzt trifft ihn die Liebe mitten ins Herz. Beide wissen, dass sie mit dem Feuer spielen – und lassen sich darauf ein.

Das Buch ist zunächst eher eine Reisebeschreibung, in der der Leser vieles über die indische Spiritualität und Mythologie erfährt. Es dauert fast 90 Seiten, bis sie „die Hölle betritt“ – ER ist dabei durchaus der Aktive, der Verführer. Und dann zerschellt seine Fassade. Er hat nicht nur sein Gelöbnis der sexuellen Enthaltsamkeit verraten, sondern ist auch Alkoholiker und Raucher. Für die Autorin bricht eine spirituelle Welt zusammen.

Sie ist auf dieses indische, spirituell verkleidete Männersystem der Sannyasisns, die Scheinheiligkeit und Doppelmoral wütend und entlarvt es mit scharfen Worten. Und doch weiß sie auch im ihre eigene Scheinheiligkeit. Hat sie doch selbst diese Heimlichkeiten mitgemacht, dieses Doppelleben.

Der zweite Teil des Buches (eigentlich nur 60 Seiten von 280) heißt „Die Rückkehr“ und ist durchaus doppeldeutig zu verstehen: nicht nur die Rückkehr der Autorin nach Europa, sondern auch die Rückkehr in ihr Höheres Selbst, in ihre Seele, das „Weiterströmen in Richtung der Quelle“. Diese Seiten sind enorm dicht, eine Selbsterkenntnis nach der nächsten – bis sie sich bewusst ist, dass sich die Dramen zweier „Kellerkinder“ (nach Katja Sundermeier) haarklein aufeinander eingespielt haben. Natürlich sind ihre Kindheitsdramen einzigartig, doch es gibt Muster, die jeder kennt und auf sein eigenes Leben übertragen kann. Und trotzdem psychologisiert die Autorin jetzt nicht ihr Liebesdrama, sondern bleibt bei ihrer spirituellen Sichtweise.

Mein Fazit: Das Buch ist nicht einfach nur ein Frauenbuch. Jede Frau wird sich in der Autorin, ihren Hoffnungen, Zweifeln, Kämpfen um ihre Liebe wieder finden. Es ist sehr offen, sehr ehrlich, ganz ungeschminkt. Das macht das Buch so stark. Es gibt auch uns Männern einen tiefen Einblick in die weibliche Seele und den Dramen von Beziehungen. Sie macht als Frau nicht „ein für allemal“ zu, sondern stellt sich ihrer Verletzlichkeit. So bleibt sie in ihrer Liebe und geht radikal in die Tiefe ihrer eigenen Seele, um ihre Wunden endgültig zu heilen. Ihre Erkenntnisse sind erschütternd und beispielhaft. Sie schreibt ein Buch, um alles aufzuarbeiten!

Frauen sind die „Beziehungsexperten“ – und das Buch ist ein gutes Beispiel dafür. Natürlich wissen wir nicht, was in IHM vorging. Doch offensichtlich hat er DICHT gemacht. Die sexuelle Beziehung hat ihn nur darin bestärkt, dass Sex ihn von seinem spirituellen Weg abbringt. Sie war eine Verführerin, mit der er spielen konnte, er erlag der Verführung, um seinem längst verstorbenen Guru danach teuer denn je zu sein. SIE hat aus dem Drama gelernt, ER nicht im heilsamen Sinne, jedenfalls ist es nicht erkennbar. IHM ist seine Guru-ergebene ARBEIT wichtiger als die LIEBE. Um nicht missverstanden zu werden. Die Autorin verurteilt seinen Rückzug in sein spirituell-männliches Kastensystem nicht. Sie sieht in ihm einen Seelenverwandten, der sie beim Wachstum ihrer Seele unterstützte. Das Buch zeigt auch die tiefe Sehnsucht der Shakti nach Shiva.

Auch für uns Männer ist dieses Buch sehr lehrreich: Es hilft sehr, uns in die Seele einer Frau einfühlen zu können, ein Beziehungsdrama aus ihrer Sicht zu sehen, ja unsere „Anima“, den weiblichen Anteil unserer Seele, zu erleben. Das ist die große Hochzeit auch in uns Männern: des Männlichen und des Weiblichen. Für uns Männer heißt es auch: Lebe den SHIVA in dir, um deine SHAKTI zu treffen.

Nicht zu vergessen: Das Buch ist schön geschrieben, durchaus auch ein Lesegenuss. Ich habe in noch keinem Buch eine so umfangreiche Danksagung gelesen. Verblüffend durchaus der letzte Satz: „Nachdem ich die Früchte meiner leidenschaftlichen Beziehung im Himalaya geerntet habe, bin ich geneigt, Oscar Wilde zuzustimmen, dass das Herz wahrhaftig dafür geschaffen wurde, gebrochen zu werden.“ (S. 280) … weil damit das Tor zur Seele geöffnet ist, würde ich ergänzen.


Die Leseprobe des Verlags: Stupia_Shiva_Leseprobe_2 (Klick)

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5 Kommentare

  • Lieber Juergen,

    vielen Dank fuer die ausfuehrliche, tiefe und schoene Besprechung meines Buches. Habe sie gerade entdeckt und mich gefreut, dass Du den Sinn und die Botschaft des Buches so gut erkannt hast.

    Herzliche Gruesse,
    Tiziana

    • Jürgen Schröter

      Danke Tiziana für dein Danke.
      Ich liebe Bücher mit Seele
      und es freut mich, wenn ich
      durch meine Besprechungen
      die Seele der Bücher
      zur Sprache bringen kann.
      Dein Buch hat bei mir
      ganz besonders die
      Leidenschaft meiner Seele
      gepackt. DANKE!

  • Lieber Herr Schröter,

    Sie sprechen mir als begeisterter Leserin aus der Seele. In Ihrer Rezension erwähnen Sie alles, was auch für mich wichtig zu sagen wäre, dazu erläutern Sie das in solchem Detail und mit solcher Präzision, dass auch Sie eine unglaubliche Tiefe erkennen lassen, ebenso wie die Autorin.
    Mich hat das Buch von Frau Stupia sehr berührt und inspiriert, gerade weil ich sehr ähnliche Erfahrungen und Emotionen erlebt habe. Ich habe Ihrer Darstellung nichts hinzuzufügen und finde sie einfach nur genial gelungen und absolut treffend! Herzlichen Dank für diese (männliche) Sichtweise und Ihre objektiven, mutigen und ermutigenden Worte, die sowohl Autorin als auch LeserInnen bestärken werden. Das Buch wie auch Ihre Rezension sind ein Fest für jeden, der sich auf den wirklich spirituellen Pfad eingelassen hat. Ihre Worte sind einfach nur wertvoll und wunder-voll, auch Ihre Fortführung von O. Wildes Zitat. Wow!

    • Jürgen Schröter

      Danke, Christine, deine Worte haben mich „umgehauen“, richtig „übermannt“.
      Danke, dass du mich erkannt – und es formulierend in Form gebracht hast.
      Ich habe die 21-Tage-Meditation von Deekap Chopra täglich mitgemacht –
      und eines hat mich immer wieder verblüfft: Wie wichtig für die Lebendigkeit
      unseres Körper-Organismus diese „Feedback-Schleifen“ sind.
      Wir werden EINS, indem wir uns Feedback geben.
      Wir erkennen uns in den Augen des ANDEREN – sind es doch die Augen Gottes.
      Auch in diesem Sinne noch einmal: DANKE!

  • Lieber Jürgen,

    es freut mich, dich übermannt zu haben und dass du mein Feedback schätzt. Ich finde es wunderbar, dass du mir auch eines gegeben hast. DANKE!
    Anerkennung und Erkennen des Anderen tragen einen vorwärts, das ist Beides sehr wertvoll. Die Leidenschaft der Seelen, die mit Tiziana und ihrem Buch in Berührung stehen, beflügeln sich gerade gegenseitig. Ist das nicht herrlich? Das ist gelebte Magie! 🙂

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